Mit „Use Cases“ zur optimalen Anleitungen

BB_0004_Use Cases

Wenn ein Anwender eine Anleitung zur Hand nimmt, erwartet er schnelle Hilfe zu genau seiner Frage oder seinem Problem.
Die Betrachtung dieser Use Cases ist der Schlüssel für die Entwicklung effizienter Technischer Dokumentation auf Papier, Online oder als App.

Was sind Use Cases?

Um es noch mal deutlich zu sagen: Ich spreche hier über die Use Cases der Anleitung, also die Situationen, in denen der Anwender Hilfe benötigt. Zunächst auch unabhängig davon, ob er die Anleitung zur Hand nimmt oder nicht.

  • Zur Abgrenzung: Use Cases werden bei der Produktentwicklung betrachtet, dabei geht es um Anwendungen des Produkts und Optimierung des Produkts.
  • Unser Produkt heißt „Anleitung“ (oder andere Technische Dokumentation).

Bei Anwendung der Anleitung sehe ich folgende große Gruppen von Use Cases:

  • Auswahl des Produktes
    Ist das vorliegende Produkt das Richtige für meinen aktuellen Bedarf? Das ist zwar mehr eine Fragestellung für Prospekte und Kataloge aber häufig ziehen Anwender heute schon die Anleitung zu Rate, weil sie bestimmte Features erwarten oder spezielle Anwendungen realisieren möchten.
  • Installation, Inbetriebnahme
    Häufig muss das Produkt vor der Benutzung installiert werden (z.B. Router, KFZ-Zubehör, Möbel).
  • Erste Benutzung
    Einfache Handlungen sofort machen (ohne großartig zu lernen)
  • Einarbeitung
    Viele technische Geräte muss sich ein Anwender zuerst erschließen:

    • das Gerät kennen lernen (Aufbau, Bedienelemente)
    • Normalbedienung kennen lernen und ausprobieren
    • Nutzenangebote des Gerätes
    • „Denkweise“ des Gerätes
  • Nutzung
    Manchmal braucht ein Anwender auch während der normalen Benutzung Unterstützung, zumindest am Anfang (z.B. durch eine Kurzanleitung oder Checklisten)
  • Konkrete Frage zu einer Handlung
    (z.B. Wie kann ich die Bremse einstellen?)
  • Konkrete Frage zu einem Technischen Detail
    (z.B. Reifendruck, Ersatzteil)
  • Weiterlernen
    Häufig hat sich ein Anwender am Anfang der Nutzung in einen Teil der Bedienung eingearbeitet und ihn für sich erschlossen.
    Meistens bietet das Gerät aber weiteren Nutzen.

    • Mancher Anwender möchte nach der Einarbeitung gerne weiter lernen (Anregungen suchen oder sein Wissen systematisch erweitern)
    • Vielfach wäre es uns TRs aber auch wichtig, dass der Anwender weiter lernt und die Systematik des Gerätes oder die Features erkundet.

Je nach Gerät finden sich andere Zusammenstellungen von Use Cases, andere Schwerpunkte oder ganz andere Use Cases.
Meines Erachtens macht die Liste schon deutlich, dass einzelne Use Cases durch besondere Gestaltung der TD, optimiert erfüllt werden können.

Wie kann ich Use Cases ermitteln?

Häufig reicht die eigene Erfahrung, um mit Betrachtung des aktuellen Geräts eine Liste der Use Cases aufzustellen.
Ansonsten bringen Gespräche mit erfahrenen Kollegen und Anwendern weitere Erkenntnisse. Auch die Betrachtung der Was-macht-wer?-Matrix gibt Anregungen.

Ich empfehle vor allem am Anfang einer TR-Karriere eine solche Liste für das aktuelle Gerät aufzustellen und sie zumindest beispielhaft mit konkreten Fragen zu füllen.
Weiterhin sollten die Use Cases gewichtet werden: Welche Use Cases sind besonders wichtig, z.B. weil sonst die Anwendung scheitert (z.B. Installation des Routers)?
und welche Use Cases werden besonders oft vorkommen (z.B. beim KFZ: Reifendruck-Anzeige, was bedeutet das? was tun?)

Wie kann ich die TD so optimieren, dass sie im Use Case optimal hilft?

Meines Erachtens führt die konsequente Betrachtung des Use Cases und der resultierenden Frage zu optimierten Lösungen:

  • Use Case Installation. Wie muss die Anleitung sein, damit der Anwender möglichst reibungsfrei installieren kann?
  • Use Case Einarbeitung in eine Software: Wie kann ich die Anleitung so schreiben, damit der Anwender sich Schritt für Schritt in die Bedienung einarbeiten kann?
  • Use Case Wartung durchführen: Wie muss die Wartungsanleitung (oder ein Kapitel) gestaltet sein, um diese Arbeiten optimal zu unterstützen?
    • Wartungsplan: Der Anwender muss eine Liste haben, welche Wartungsarbeiten er durchführen muss
    • Wartungsarbeiten: Der Anwender muss zu einzelnen Wartungsarbeiten eine Anleitung erhalten.

Anhand des Use Cases Wartung möchte ich zeigen, dass möglicherweise weitere Überlegungen und Optimierungen sinnvoll sind.
Wie können wir mit TD den Anwender optimal bei der Wartung unterstützen? Wäre es nicht denkbar, dem Anwender eine App zu geben, die ihm genau den Wartungsplan für die aktuelle Situation vorgibt (anhand von Nutzungsdauer, Betriebsstunden …). Kann dieser Wartungsplan als Liste weiter optimiert werden? Kann der Anwender Punkt für Punkt durch die einzelnen Wartungsarbeiten geführt werden? Wäre es sinnvoll, wenn der Anwender die Durchführung bestätigt und das Ergebnis protokolliert wird? Könnte der Anwender bei einzelnen Wartungsarbeiten weitere Hilfe anfordern (z.B. Link in eine Schritt-für-Schritt-Anleitung).

Genau so gut kann die Betrachtung der Use Cases auch dazu führen, dass für einen bestimmten wichtigen (!) Use Case ein Video die bessere Lösung wäre, z.B. eine Handlung als Videoanleitung oder ein Video-Tutorial für die Einarbeitung.

Use Cases als Qualitätskriterium

Technische Dokumentation ist immer zweckgerichtet. Sie soll immer einen bestimmten Zweck erfüllen. Teilweise haben wir dafür spezialisierte Informationsprodukte (z.B. Installationsanleitung, Wartungsanleitung, Ersatzteilkatalog).

Die Betrachtung der Use Cases führt genau auf diesen Zweck und die Erfüllung des Zwecks ist die wesentliche Aufgabe der von uns erstellten TD.
Wollen wir die Qualität von Anleitungen beurteilen, müssen wir genau diese Use Cases kennen, um dann zu prüfen, ob die TD hierfür geeignet ist.

Das möchte ich am Beispiel KFZ-Anleitung zeigen.

  • Use Case „Einarbeitung“
    Wir müssen davon ausgehen, dass der Anwender schon ein oder mehrere Autos gefahren hat und sich im Prinzip auskennt.Gibt ihm die Anleitung genügend Hilfe sich in sein neues Fahrzeug einzuarbeiten?

    • kann er die Anleitung querlesen, um Unbekanntes zu entdecken?
    • sind wichtige Neuerungen kenntlich gemacht?
    • Gibt es einen Hinweis: „Dieses Kapitel müssen Sie unbedingt lesen“? weil dort wichtige Grundlagen stehen.
  • Use Case „konkrete Frage“
    Werden konkrete Fragen gut beantwortet?Findet der Anwender mit seiner Frage schnell zum relevanten Kapitel? (Mit welchen Worten wird er suchen?)

    • Findet er im relevanten Kapitel schnell zur relevanten Information (Wort, Wert, Handlungsschritt)
  • Use Case „Weiter lernen“
    • Fordert die Anleitung dazu auf, sie auch später zu Hand zu nehmen, um weitere Features zu entdecken?
    • Ist die Anleitung interessant gestaltet, um zum Lesen und Querlesen anzuregen?
    • Gibt es andere Medien, die ihn anregen sich mit weiteren Features zu beschäftigen?

Bücher zur Technischen Dokumentation

ansehen, jetzt kaufen

Sie können verständliche Anleitungen schreiben! Aus meiner Sicht ist das „ganz einfach“. In meinen Büchern zeige ich Ihnen Strukturen, Konzepte und Formulierungen, die Sie sofort anwenden können.
Werden Sie schnell zum Profischreiber, profitieren Sie von den klaren Strukturen und vielen Beispielen.